Ein Gewinn für alle

Einsatz der Bundeswehrsoldaten in der Alten- und Eingliederungshilfe sollte verlängert werden

AAAA-ch-tung! Hacken zusammen, Hände an die Hosennaht – so ist die gängige Klischeevorstellung von Soldaten und Bundeswehr. Doch die Kameraden können ganz anders. Seit knapp drei Wochen helfen 38 Soldaten des Panzerbataillons 363 aus Hardheim bei Würzburg in insgesamt 34 Häusern der Altenhilfe und - pflege im Landkreis Esslingen, darunter auch mehrere Häuser der Samariterstiftung. Nach einer ersten gegenseitigen Schüchternheit gibt es viele positive Rückmeldungen zu dem Einsatz. Allerdings neigen sich die drei Wochen dem Ende zu. Es heißt, auf gesonderte Anträge hin, könne der Einsatz verlängert werden. Allerdings muss belegt werden, dass trotz intensiver Bemühungen keine Freiwilligen gewonnen werden konnten.

Wer derzeit Angehörige in Pflegeeinrichtungen besucht, trifft dort im Eingangsbereich mitunter auf Menschen im gefleckten Feldanzug. Die Bundeswehr ist auch in Häusern der Samariterstiftung im Corona-Einsatz. Sowohl in den Einrichtungen der Alten- wie der Eingliederungshilfe helfen die Soldatinnen und Soldaten dem medizinischen Personal bei den Tests und führen diese gegebenenfalls auch eigenständig durch. Dadurch werden die Heime personell sehr entlastet. Denn jede Pflegekraft, die mit Tests beschäftigt war, fehlte auf der Wohngruppe.

„Auch in der Behindertenhilfe der Samariterstiftung sind Rekruten im Einsatz und helfen beim Testen von Bewohnern, Werkstattbeschäftigten, Mitarbeitenden und Besuchern“, berichtet Markus Mörike Regionalleiter, Behindertenhilfe/Sozialpsychiatrie Münsinger Alb. Bundeswehr und Behindertenhilfe, da zuckt so mancher kurz zusammen. Doch, die drei ehemaligen überzeugten Kriegsdienstverweigerer im Leitungsteam zögerten nicht lange, als das Angebot kam. „Man kann nicht erst nach Hilfe und Unterstützung schreien, und wenn sie dann angeboten wird, ist sie nicht gut genug“, stellt Markus Mörike fest.

Leichtes Befremden zunächst auch im Samariterstift Ruit. „Mittlerweile ist das aber eine eingespielte Sache“, versichert Michél Hömke, Hausleiter in Ruit. Klar, auch hier sind völlig unterschiedliche Kulturen aufeinandergetroffen. „Beim Bund sind Hierarchien, Gehorsam und Ordnung ganz oben auf an der Tagesordnung“, bestätigt Leutnant Felix Lehmkuhl, verantwortliche Führungskraft für die 38 Kameraden und Kameradinnen im Einsatz. „Wir freuen uns, dass wir unterstützen können.“ Soldat Hauptgefreiter Dennis Martojas, der im Dr.-Vöhringer-Heim in Nürtingen-Oberensingen im Einsatz ist, pflichtet ihm bei: „Corona war irgendwie ganz weit weg. Hier sehe ich, was die Pandemie für konkrete Auswirkungen hat, und ich nehme ganz deutlich wahr, welchen Sinn meine Arbeit hat.“

Auf der Münsinger Alb sind die beiden Soldaten an drei Nachmittagen in der Woche im Einsatz und wechseln zwischen Grafeneck, der Werkstatt und dem Wohnhaus Brombeerweg in Münsingen. Sie bekommen eine Liste der zu testenden Personen und legen los. „Wir würden uns sehr freuen, wenn dieses Angebot weitergeführt würde. Für uns eine tolle Unterstützung und auch für die beiden eine Bereicherung und ein Einblick in die Behindertenhilfe, die sie sonst nicht gehabt hätten“ ist Markus Mörike überzeugt. Gleiches ist auch in den Häusern der Altenhilfe zu beobachten. „Ich habe mich für vier Jahre verpflichtet“ erzählt Hauptgefreiter Dennis Martojas, „ich möchte auf jeden Fall die Gelegenheit nutzen und mir genau ansehen, wie die Arbeit in einer Pflegeeinrichtung funktioniert. Vielleicht hospitiere ich sogar, wenn ich meine Dienstzeit bei der Bundeswehr beendet habe“, sagt er. Auch Hauptgefreiter Paul Walczak im Samariterstift Ruit im Einsatz ist sich sicher: „Nach diesen drei Wochen habe ich eine völlig andere Sicht auf Pflege als vorher. Was hier geleistet wird ist phänomenal.“ Er sei sehr beeindruckt davon, wie mobil und rüstig viele der älteren Menschen noch sind. Es gebe eine alte Dame, die regelmäßig zu ihm an die Teststation runterkomme, um mit ihm zu plauschen.

Durch diesen Einsatz wird Aufklärungsarbeit im wahren Wortsinn geleistet. Während die einen in der Öffentlichkeit als knallharte Burschen gelten, wurden Wehrdienstverweigerer mit Dienst im Altenheim vor noch gar nicht allzu langer Zeit als Weicheier tituliert – aus den Heimen sind längst Häuser geworden und die Weicheier erwerben sich wertvolle soziale Kompetenz, die harten Burschen tragen Kinder durch Hochwasserfluten. Doch beide Gruppen haben in der breiten Öffentlichkeit nach wie vor mit Klischeevorstellungen zu kämpfen. „Jetzt erleben wir uns mal live und lernen voneinander“, sagt Michél Hömke.

Auch im Samariterstift im Mühlenviertel gibt’s Unterstützung. Alper Ciftici, Stabsunteroffizier(FA) und Mark-Stephen Baumeister-Dreher, Oberstabsgefreiter, der 3. Artillerie, Bataillon 295 Stetten am Kalten Markt sind hier im Einsatz. Nach anfänglicher Unsicherheit, wie sich zwei Soldaten wohl in ein Pflegeheim einordnen lassen, läuft es inzwischen richtig gut. Beim Landratsamt ist um Verlängerung des Einsatzes ersucht. Die beiden Soldaten testen täglich zwischen 9 und 17 Uhr Angehörige, Therapeuten und Mitarbeiter. Dies ist für das Haus eine enorme Entlastung. Verschiedene Mitarbeitende haben zuvor selbst täglich viele Stunden mit Testen, Dokumentieren und Überprüfen verbracht. „Wir sind froh, dass sie da sind. Es gibt viele Gespräche zwischen verschiedenen Berufswelten und auch zwischen verschiedenen Kulturen“, berichtet Anja Meslin, Leitung Sozialdienst, aus dem Samariterstift im Mühlenviertel. Lob gibt es auch in Leonberg. „Die Jungs sind jetzt echt sehr gut eingearbeitet. Es wird schwierig, und ich weiß noch nicht wie wir die drei Tage, an denen sie dann fehlen werden, ersetzen können“, sagt Jan Schmitting, Leitung Pflegeheim Seniorenzentrum am Parksee und „Betreutes Wohnen“.

Die Soldateninnen und Soldaten entlasten das Pflegepersonal. Sie übernehmen Arbeiten, ab und an sogar administrative Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Testauswertung, für welche die Fachkräfte einiges ihrer pflegerischen Aufgaben ansonsten hintenanstellen müssten. Sowohl die dringend notwendigen Test Aktivitäten wie auch die in Corona-Zeiten gestiegenen Verwaltungsaufwände sind wahre Zeitfresser. „Außerdem darf nicht unterschätzt werden, dass die Bewohnerinnen und Bewohner nach diesen langen Zeiten der Kontaktbeschränkungen neue Gesichter zu sehen bekommen. Es werden völlig neue Anreize für Gespräche gesetzt. Es weht ein frischer Wind im Haus. Die Bewohner:innen lieben das“, berichtet Hömke.

Alles in allem eine rundum gelungene Sache. Deshalb appelliert Frank Wößner, Vorstandsvorsitzender der Samariterstiftung eindringlich: „Diese hilfreiche und positive Unterstützungsmaßnahme muss weiter fortgesetzt werden. Ich bin mir ganz sicher, dass das ein Gewinn für beide Seiten ist.“

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